Auszug Münchner Feuilleton, Juni 2019, zur Ausstellung in der Galerie Anais, München
Thomas Betz: Wege für das Auge


Die in Pasing lebende, in den Domagkateliers arbeitende Malerin war Anfang der 60er Jahre Meisterschülerin bei Prof. Hansen-Bahia auf Burg Tittmoning, beschäftigte sich auch mit Keramik, hatte 1968 in Hamburg ihre erste Ausstellung als Malerin und gehört seit den 70er Jahren zur Münchner und bayerischen Kunstzszene.
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Christine Linders künstlerische Mittel trumpfen nicht auf. Es sind wache Bilder, Erkundungen mit freiem Geist.
Der Ausstellungstitel "Einweg" ... zum Beispiel.... bezieht sich nicht auf pfandfreie Getränkebehältnisse, meint auch nicht die Einsinnigkeit einer Einbahnstraße, sondern im Gegenteil die Richtung, die sich erst bahnt: den Weg einwärts ins Bild. Und beschreibt den Arbeitsprozess: den Weg, den die Künstlerin anfangs verfolgt und den Weg - wie sie formuliert - den das Bild nimmt, wenn die Auseinandersetzung mit einer Form eine neue Richtung einzuschlagen eröffnet, eine "Zusammenarbeit mit dem Bild". Deshalb bieten diese Werke nicht einen Weg ins Bild, sondern viele Wege. Und ihre Dynamiken, die zarte, präzise Textur, die vielgestaltigen Oberflächen lassen dem Auge Zeit.
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Die neuen Arbeiten kombinieren das malerische Vibrato mit einem geometrisch-kompositorischen. Bei "Einweg" korrespondiert das lichte, atmende Schwarz des fragmentarischen Keils mit der unten blühenden, grauen landschaftlichen Miniatur. Die hellen Felder stufen sich zueinander ab, und die Wegspuren in den grauen Karrees ziehen durch das ganze Bild und darüber hinaus.

Thomas Betz, München









Auszug aus der Eröffnungsrede von DR. HANNE WESKOTT
, München,
zur Ausstellung in der Obersten Baubehörde, München 2005

... Christine Linder legt großen Wert auf die Lichthaltigkeit ihrer Farben. Farben waren und sind bei ihr nie dazu da, um etwas zuzudecken, sonderrn vielmehr um etwas sichtbar zu machen. Farben bei Christine Linder beanspruchen nie absolutes zu sein, sondern führen stets ihre spezifische Relativität vor. Das heißt sie sind abhängig von ihrer Umgebung, von anderen Farben, vom Standpunkt des Betrachters, und selbstverständlich vom Licht, vom Lichteinfall, der Lichtqualität ob warm ob kalt, natürlich oder künstlich, weiß oder gelb.

Deshalb sollten sie eigentlich noch einmal bei Tageslicht hierher kommen, weil diese Bilder erst dann ihre eigene Schönheit entwickeln. Sie sind nämlich bei Tageslicht gemalt und all die Feinheiten des Farbaufbaus und das Gespinst der Linien, die gezogen mit farbiger Ölkreide oder dem Bleistift ihr durchaus eigenes Spiel im Farbgrund treiben, sind nur bei guten Lichtverhältnissen zu entdecken.

... Wenn Christine Linder also den relativen Charakter des Farbsehens ernst nimmt und ihre Bilder so anlegt, dass dieses deutlich sichtbar wird, dann bedeutet das aber nicht, dass sie sich nicht traut klar Stellung zu beziehen oder gar eine Behauptung aufzustellen. Es hindert sie also nichts daran, Rot zum Beispiel, ja besonderrs Rot, so ins Bild zu setzen, dass es eindeutig, ohne wenn und aber, nach vorne drängt, die Herrschaft im Bild sozusagen übernimmt...

In Christine Linders Kunst gibt es nichts Spektakuläres oder gar Spekulatives. Sie drängt sich nicht auf, sonder fordert zu genauem Hinsehen auf.